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Besetzung:
Pressestimmen: Marburger Neue Zeitung 5.1.2005 Noch´n Gedicht ist eine Sammlung von Schlagern der 60er Jahre von und über Heinz Erhardt. Das Kleinkunstprogramm hatte am Silversterabend im ausverkauften TASCH 1 Premiere. Mit dabei Klassiker, wie „Warum die Zitronen sauer wurden“ oder „Der Apfelschuß“. Zusammengestellt ist die Sammlung von Peter Radestock, der Regie führt mit Uta Eisold und Thomas Streibig zusammen das Programm gestaltet. Klavierbegleiterin ist Maria Tosenko, die auch für die musikalische Einstudierung verantwortlich ist. Heinz Erhardt (1909-1979) war ein Phänomen. Viele Tausende haben ihn auf der Bühne erlebt und herzlich über seine Komik gelacht. Millionen kennen ihn vom Rundfunk, Fernsehen, aus dem Kino oder von seinen Büchern. Er war der beliebteste Komiker der fünziger und sechziger Jahre und einer der begabtesten Humoristen des letzten Jahrhunderts. Für das neue Kleinkunstprogramm im Deutschhauskeller hat „Kellermeister“ Peter Radestock die Archive geplündert und ein Best-of aus Texten von und über Heinz Erhardt zusammengestellt, musikalisch garniert mit den kuriosesten Schlagern der 60er Jahre.
Noch«n Gedicht: Kabarettistisches zu Sylvester Marburger Forum Das Hessische Landestheater Marburg „Noch´n Gedicht“ Texte von und über Heinz Erhardt mit Schlagern der 60er Jahre Zusammenstellung und Leitung: Peter Radestock Mit Uta Eisold Peter Radestock Thomas Streibig Maria Tosenko (Klavier) Premiere: 31. 12. 2004 im Tasch 1 Er ist längst Kultfigur geworden, Heinz Erhardt (1909 – 1979), dieser behäbig-verschmitzte Schauspieler in unterhaltsamen, aber auch klamaukigen Filmen der fünfziger und sechziger Jahre, dieser jovial-schalkische Verseschmied, der manchmal schüchtern, manchmal übertrieben selbstsicher vor seinem Publikum stand, die Finger verdrehte, die Augen aufschlug und „anhub zu deklamieren“: Gedichte meist, seltsame Gebilde aus witzigen Wortschöpfungen, bizarren Sprachverdrehungen und den verrücktesten Reimen, die immer wieder den so einfältig daherkommenden Versen überraschende Wendungen geben und aus naiven Zwei- oder Vierzeilern raffinierte kleine Sprachkunstwerke machen, absurd, komisch, zum Lachen und zum Nachdenken, zum Amüsieren und für manche zum Süchtigwerden. „Ein Nasshorn und ein Trockenhorn spazierten durch die Wüste, da stolperte das Trockenhorn, unds Nasshorn sagte: „Siehste!“ Wie macht man aus solchen und ähnlichen Versen einen amüsanten Theaterabend und hält das Silvester-Publikum – Gibt es eigentlich auch jüngere Heinz Erhardt-Fans? Man sah eher Vierzigjährige und Ältere im vollbesetzten Zuschauerraum! – bei Heinz Erhardt-Laune? Man stelle – so jedenfalls hat es das Team um Peter Radestock gemacht und damit Erfolg gehabt und Applaus bekommen – ein Programm zusammen, das viele bekannte Erhardttexte enthält, Déjà-vu-Erlebnisse zulässt und die Heinz-Erhardt-Sympathiewelle zwischen den Akteuren auf der Bühne und dem Publikum im Saal hin- und herwogen lässt. Uta Eisold, Peter Radestock, Thomas Streibig und Maria Tosenko am Klavier haben eine wirkliche Heinz-Erhardt-Atmosphäre geschaffen. Man spürte förmlich, wie die Erhardt-Fans im Saal bei vielen Verszeilen gern mitgesprochen hätten. Man garniere darüber hinaus die Gedichte mit Schlagern der sechziger Jahre, zur unterhaltsamen Unterbrechung der Rezitationen, aber auch zu deren Abrundung und Ergänzung. Schlager wie Ramona oder Lady Sunshine oder Ich will ´nen Cowboy als Mann zeigen, jetzt vierzig Jahre später, in welchem kulturell-gesellschaftlichen Umfeld die Heinz-Erhardt-Unterhaltung aufblühen und funktionieren konnte: Es waren die satten, nostalgischen Jahre der ausklingenden Adenauerära, die die Augen vor allem verschlossen, was auch nur einen Hauch von kritischer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft der Menschen der Bundesrepublik hatte. Es war eine muffige, angestaubte Gefühlswelle, die gewünscht und ersehnt und durch die Schlager der Sechziger transportiert und verstärkt wurde, eine „heile Welt“-Ideologie, an die sich die Heinz-Erhardt-Verse scheinbar nahtlos angepasst, von der sie sich aber für alle offenen Ohren durch die ironischen Über- und Untertöne wohltuend unterschieden haben. Denn das macht die Programmzusammenstellung Radestocks deutlich: Heinz Erhardts „Reim-dich-oder-ich-fress-dich“-Zeilen sind von einer anderen sprachlichen Qualität als die kitschigen Schlagertexte. Was dort spielerischer, humorvoller, komischer und immer wieder grotesker, schalkischer Umgang mit Worten und Sprache überhaupt ist, ist in Schlagern wie Seemann, lass das Träumen nichts als stereotype, auf Publikumssehnsüchte schielende, Wirklichkeit verzerrende Sprachvernebelung und Gefühlseinlullung, nur selten aufgefrischt durch Humor und Komik. Welten unterscheiden die Schlager vom spitzbübischen Erhardt-Sprachspiel in Zeilen wie „Das Kind hängt an der Mutter, / der Bauer an dem Land, / der Protestant an Luther, / das Ölbild an der Wand. / Der Weinberg hängt voll Reben, / der Hund an Herrchens Blick, / der eine hängt am Leben, / der andere am Strick…“. – Übrigens: Zum Flair der sechziger Jahre hätte es durchaus gepasst, wenn Eisold, Streibig und Radestock die Schlager durch das Mikrofon gesungen hätten. Man nehme aber vor allem – und darin liegt der eigentliche Erfolg des Abends – vier Akteurinnen und Akteure, die die Schlager so „spielen“ und „trällern“, dass der sentimentale Zuckerguss von ihnen abfällt und ihre ganze sprachliche Erbärmlichkeit mit einem Male nicht nur erträglich, sondern durch die ironischen Brechungen auf der Bühne unterhaltsam wird, und die die Heinz-Erhardt-Gedichte so vortragen, dass sie von dem Staub, der sie ein wenig altmodisch macht, befreit, ihre sprachspielerische, humorvolle Seite hervorgehoben und ihre Zeitlosigkeit demonstriert wird. Eisold, Streibig und Radestock benutzen einfache, unprätentiöse Mittel in ihrem Vortrag, Augenaufschläge oft nur, leicht verzogene Münder und Gesichter, angedeutete Grimassen, schlurfenden Gang, herunterhängende Schultern, kleine Pausen, sparsame Gesten, und werden so der raffiniert-naiven, grotesken Sprache Erhardts gerecht, ja zeigen erst dadurch, welcher Witz, welche Phantasie und welche anarchische Vorstellungskraft in manchen der so leicht anmutenden Zeilen Erhardts stecken. Seine Verse können – das wird immer wieder deutlich - durchaus mit Kästners, Buschs, Morgensterns und Ringelnatz` artifiziellen Sprachgebilden mithalten, ja Erhardt ist vielleicht ihr legitimer poetisch-schalkischer Nachfahre, so wie er es sich in einem seiner Texte so sehnlichst wünscht. Und der heute so vielgedruckte und vielgelesene Robert Gernhard müsste eigentlich den Hut vor Erhardt ziehen. Auf Verse wie die folgenden könnte er doch wohl auch stolz sein: „Ich geh´ im Urwald für mich hin … Wie schön, dass ich im Urwald bin: Man kann hier noch so lange wandern, ein Urbaum steht neben dem andern. Und an den Bäumen, Blatt für Blatt, hängt Urlaub. Schön, dass man ihn hat! „Noch´n Gedicht“ wird im Januar noch zweimal im Deutschhauskeller auf dem Programm stehen, sicherlich eine passendere Umgebung für die Erhardt-Revue als der Tasch 1-Saal. Herbert Fuchs |
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